Geilenkirchen. Es war wie üblich der große Auftritt der Fraktionsvorsitzenden, als in der Stadtratssitzung der Geilenkirchener Haushalt für 2019 beraten und beschlossen wurde. Annähernd zwei Stunden brauchten die Sprecher der sechs Fraktionen für ihre Ausführungen, bevor der Haushalt gegen die Stimmen der Grünen angenommen wurde. Dabei geht es um ein Zahlenwerk, das bei den Erträgen knapp 68 Millionen und bei den Aufwendungen knapp 70 Millionen Euro ausweist. Der Fehlbetrag von rund 1,4 Millionen Euro hat sich gegenüber 2018 um fast 900.000 Euro verringert, gilt den Politikern vor dem Hintergrund der gut laufenden Konjunktur aber immer noch als zu hoch. Steuer- oder Gebührenerhöhungen wird der Haushalt den Bürgern nicht bringen.
Doch um die Zahlen ging es in den Reden eher am Rande, vielmehr nutzten die Sprecher die Gelegenheit, einzelne wichtige Schwerpunkte der städtischen Politik zu beleuchten, aber auch zur Abrechnung mit dem politischen Gegner. Bei gleichen oder ähnlichen Themen und sechs Reden hatten es die Redner, die auf den Eröffnungsredner (CDU) folgten, wegen zwangsläufiger Wiederholungen schwer. Dennoch lohnte sich genaues Zuhören, denn so erfuhr man fast nebenbei, dass die SPD die Kooperation mit der CDU aufkündigt, oder hörte den direkten Appell an Bürgermeister Georg Schmitz „Treten Sie bei der nächsten Wahl nicht mehr an!“ (Stefan Mesaros, Für GK).
Max Weiler (CDU)
Erster Redner war Max Weiler für die CDU als größter Fraktion. Der Haushalt mit dem geringer werdenden Defizit stelle eine nicht unerhebliche Verbesserunng gegenüber dem Vorjahr dar und zeige, dass Kämmerer Daniel Goertz mit viel Augenmaß gearbeitet habe und den Grundsatz der „Vorsichtigkeit“ beachtet habe. Lob und Dank für den Kämmerer und seine Mitarbeiter gab es übrigens übereinstimmend von allen Fraktionen.
Bei den Ausgaben sprach Weiler auch die Förderung der dörflichen Strukturen und dabei die Förderanträge für Bürgerhäuser an. Wenn man zur Not auch ohne Förderungen sich für die Realisation aller gewünschten Bürgerhäuser einsetze, habe das nichts mit dem „Öffnen der Büchse der Pandora“ zu tun, sondern sei eine sinnvolle Anlage in die Zukunft der Dörfer. Wer diesen Weg nicht mitgehe mache sich zum „Totengräber des dörflichen Lebens“. Mittel- bis langfristig müsse man auch an eine ausreichend groß Stadthalle für die Innenstadt denken. Hier liege eine „tolle Aufgabe“ für den Bürgermeister, der doch so gerne einen Kaffee mit möglichen Investoren für die Stadt trinke.
Bei der Debatte um die Kita-Beiträge hätten Grünen ein „Possenspiel“ betrieben, am Ende hätten sich jedoch die Sachargumente durchgesetzt, und so seien die Menschen, die im Sinne des Gesetzes als bedürftig gelten, von den Beiträgen befreit. Weiler sprach das Parkplatz-Chaos in der Stadt an, das mit dem Bau des Parkhauses am Krankenhaus nicht besser geworden sei. Der CDU-Sprecher forderte auch, dass man im Sinne junger Familien verstärkt Augenmerk auf die Baugebiete in den Dörfern und damit verbunden auch auf den wachsenden Bedarf an Kita-Plätzen richten müsse. Was die knapp werdenden Gewerbegebiete angehe, so hätte es auch hier eine lohnende Gesprächsaufgabe für den Bürgermeister gegeben: „Es kann doch nicht angehen, dass uns andere Kommunen Flächen auf dem Geilenkirchener Stadtgebiet quasi vor der Nase wegkaufen“.
Beim Thema Sicherheit, so Weiler, habe die Kreispolizei bestätigt, dass Geilenkirchen nicht schlechter dastehe als andere Kommunen. Eine Verbesserung könne der verstärkte Einsatz von Außendienstmitarbeitern des Ordnungsamtes bieten, was jedoch sehr teuer sei. Das Thema Personal zeige sich auch am Hallenbad, das wegen der zu knappen Personaldecke tageweise geschlossen werden musste. Sich hier um eine Kooperation mit Nachbargemeinden zu bemühen, könnte eine Aufgabe für den Bürgermeister sein.
Wie alle anderen Fraktionen sprach auch die CDU deutlich das Thema „Straßenbaubeiträge“ an, das jedoch in einem späteren Tagesordnungspunkt noch intensiver diskutiert wurde. Im Zusammenhang mit der Verantwortung für den trocken gefallenen Teich am Tripser Wäldchen und – damit verbunden – dem bevorstehenden Weggang des technischen Beigeordneten Markus Mönter bescheinigte Weiler den Grünen, dass es kein guter Stil war, eine Person öffentlich vorzuverurteilen.
Christoph Grundmann (SPD)
Für die SPD und ihren Fraktionschef Christoph Grundmann zeigt der Haushalt zwar die derzeitig solide Finanzsituation, bietet aber auch keine grundlegenden positiven Überraschungen. An vielen Stellen fehle der Mut zur Verbesserung. So hätte man mit einer geringfügigen Erhöhung der Grundsteuer B, bedürftige Eltern von vielen hundert Euros Kita-Gebühren entlasten können. Grundmann rechnete vor, dass eine jährliche Mehrbelastung der Steuerzahler von 2,62 Euro eine jährliche Entlastung von gering verdienenden Eltern in Höhe von 971,66 Euro (bei Kindern unter zwei Jahren das Doppelte) gebracht hätte. „Politische Traumtänzer“ wie die Grünen hätten der SPD nach diesem gerechten Vorschlag vorgeworfen, den Antrag auf Gebührensenkung abgelehnt zu haben.
Auch Grundmann sprach intensiv die später nochmals behandelten Themen Fliegerhorstsiedlung und Straßenbauträge an und warnte vor Effekthascherei in der politischen Debatte. Langfristig zu planen und Projekte in kleinen Schritten anzugehen sei richtig für die bauliche und räumliche Entwicklung der Stadt. Dazu gehöre auch eine Überplanung des Wurmauenparks, wofür die SPD einen ausführlichen Maßnahmenkatalog vorgelegt habe. Ein aktuelles Stadtentwicklungskonzept sei kein „Luftschloss“, vor denen der Bürgermeister gewarnt habe. Zur Stadtentwicklung zählen für die SPD auch Verbesserungen der Verkehrssituation in der Innenstadt. Der abgelehnte SPD-Vorschlag auf Poller zwischen dem Parkplatz der Konrad-Adenauer-Straße und dem der Kreissparkasse hätte den Durchgangsverkehr unterbinden können. Auch die Situation der Durchgangsstraßen in Würm und Lindern müsse angegangen werden.
Bei den steigenden Personalkosten kritisierte Grundmann, dass im Konzept zum Beispiel dringend benötigte Stellen für Ordnungsamt und Hallenbad fehlen und es stattdessen nur höhere Dotierungen auf der Führungsebene gebe. „Wo ist ein Bürgermeister, der sich schützend vor seine Mitarbeiter stellt, wenn diese durch Anzeigen der Grünen dazu getrieben werden, sich weg zu bewerben?“ So kritisierte er die Amtsführung von Georg Schmitz, der sich bei unangenehmen Entscheidungen lieber der Stimme enthalte. Zum Abschluss seiner Rede sprach Grundmann die interfraktionellen Gespräche an, von denen sich seine Fraktion Ende 2017 zurückgezogen habe. Künftig werde man wieder teilnehmen, auch um zu verhindern, dass so etwas geschehe wie beim Fall Bürgerhaus für Teveren, für das Mittel in den Haushalt gestellt seien, ohne das ein Gremium über den entschieden habe. Letzteres war ein Grund, die Kooperation mit der CDU aufzukündigen. Vor allem wegen des unausgewogenen Personalentwicklungskonzeptes stimme die SPD dem Haushalt nur mit Bauchschmerzen zu.
Jürgen Benden (Bündnis 90/DIE GRÜNEN)
Das 2019 verringerte Defizit sei kein Grund zur Zufriedenheit, stellte Grünen-Sprecher Jürgen Benden in seiner Haushaltsrede fest. Ein Defizit von 1,25 Millionen trotz guter Konjunktur zeige, auf welch dünnem Eis sich die kommunalen Spielräume bewegten. Der Hinweis des Bürgermeisters auf einen ausgeglichenen Haushalt 2022 sei vor diesem Hintergrund nur Kaffeesatzleserei. Aus grüner Sicht habe es im vergangenen Jahr Licht und Schatten gegeben, sagte Benden, wobei er auf der Lichtseite unter anderem den Start des Bürgerwaldes, die Ernennung zur Fair-Trade-Stadt, das Glyphosat-Verbot und die Verbesserung des Brandschutzes an Schulen nannte. Auch beim Thema Kita-Betreuungsplätze sei man auf einem guten Weg.
Doch es gebe eben auch die Schattenseite wie Wahlkampfgeschenke für Ortsvorsteher, sagte Benden, und zielte damit wohl auf Bürgerhauspläne in Immendorf und Teveren. Monate lang habe man sich bemüht, Immendorf zu einem neuen Sportplatz zu verhelfen, während der Antrag zum Bau eines neuen Sportlerheimes schon bei der Verwaltung vorlag. Es gebe schließlich elf sanierungsbedürftige Sportplätze in Geilenkirchen, die nicht nur von Fußballern, sondern auch von Schulen benutzt würden. Zu den vier Millionen, die hier in den nächsten Jahren investiert werden sollen, könne man schon jetzt sagen, dass es sehr viel teurer werde.
Der CDU warf er die Ablehnung der Entlastung bei den Kita-Gebühren vor und stellte die Frage, ob man dort überhaupt wisse, wie eine Familie mit 18.000 Euro Brutto-Jahreseinkommen lebe. „Kein Geld für Kinder aber für Theken in Sportlerheimen und Bürgerhäusern“, das sei unseriös. Das seien Wahlkampfgeschenke aus Steuergeldern. An keiner Stelle des Haushaltes finde man neue und zukunftsweisende Ansätze. Die offene Ganztagsschule bleibe Stiefkind, der Natur-Kultur-Erlebnispfad werde nicht weiter verfolgt, und im Bereich Klimaschutz gebe es kaum Ansätze. Ansätze fehlten auch zur Schaffung von zukunftsfähigem Wohnraum, und beim Verkehr habe man zwar einen Ratsbeschluss zur Stärkung des Radverkehrs, ignoriere diesen aber standhaft. Im Klimaschutzkonzept der Stadt von 2013 stehe: Vorbildfunktion wahrnehmen, informieren, lenken und koordinieren. Nichts davon finde statt. Auch deshalb lehnten die Grünen den Haushalt 2019 ab.
Christian Kravanja (Bürgerliste)
Der Sprecher der Bürgerliste, Christian Kravanja stellte die Frage, wie es sein könne, dass bei einer insgesamt positiven Entwicklung der Stadt immer noch ein Defizit im Haushalt bleibt. Für die Bürgerliste sind nach seinen Worten die steigenden Personalaufwendungen mit einem Zuwachs um 1,1 Millionen Euro oder 7,4 Prozent einer der Gründe dafür. Von den Sparanstrengungen zu Zeiten des früheren Bürgermeisters Fiedler sei unter Bürgermeister Schmitz nicht mehr viel übriggeblieben. Es grassiere die Unart, zeitweise vakante Stellen neu zu besetzen.
Doch der Bürgermeister sei nicht der Alleinschuldige, auch die Politiker trügen ihren Anteil. So habe die CDU beispielsweise wohl den Wahlkampf eröffnet, wenn sie für den Bau einer „Vereinskneipe“ einen fünfstelligen Betrag billige, während sie noch einen Monat zuvor mit dem Hinweis auf wieder drohende Haushaltssicherung eine Beitragsbefreiung für gering verdienende Eltern von Kindergartenkindern ablehnte. „Es bleibt das ungute Gefühl, dass die CDU lieber in Steine als in Kinder investiert“, so Kravanja.
Dass allerdings Steine nichts grundsätzlich Schlechtes seien, zeige 2019 der Baubeginn für die Turnhalle in Gillrath nach einem gemeinsamen Antrag von Bürgerliste, „Geilenkirchen bewegen und FDP“ und „Für GK“. Einem Antrag der Bürgerliste folge auch der Bau eines Kreisverkehrsplatzes in Hünshoven. Folgen müsse nun eine Entschärfung der Verkehrsgefahr an der Herzog-Wilhelm-Straße und das mit möglichst kleinen Maßnahmen wie Geschwindigkeitsbegrenzung oder Querungsmöglichkeiten.
Auch Kravanja widmete einen großen Teil seiner Rede den später gesondert behandelten Themen Fliegerhorstsiedlung und Straßenbaubeiträge. Während man hier noch warten könne, brauche man schnelles Handeln bei der Suche nach neuen Bau- und Gewerbeflächen. Seit der Rat 2016 beschlossen habe, dass die Verwaltung gemeinsam mit der Stadtentwicklungsgesellschaft sich um neue Flächen kümmern soll, sei nichts Nennenswertes geschehen. Es entstehe der Eindruck, dass die Stadt im jahreszeitübergreifenden Winterschlaf liege.
Am Schluss seiner Rede ging Kravanja auf den beginnenden Europa-Wahlkampf ein und warnte vor falschen Aussagen wie zum Beispiel über eine „andauernde Flüchtlingskrise“. Tatsächlich finde die Einwanderung von Flüchtlingen immer weniger statt. Für den Haushalt der Stadt heiße das, dass 2019 der Ansatz um 540.000 Euro oder 13,5 Prozent sinke und im Vergleich zum Ergebnis 2016 sogar um rund zwei Millionen Euro.
Wilfried Kleinen („Geilenkirchen bewegen und FDP“)
Je weiter man in der Rednerliste vorrückte, umso schwerer hatten es die Sprecher, da schon fast alles gesagt war. Das merkte auch Wilfried Kleinen für die Fraktion „Geilenkirchen bewegen und FDP“. Nachdem er auf einen Antrag seiner Fraktion zum Thema Straßenbaubeiträge hingewiesen hatte, wandte er sich den Personalkosten zu. Hier sei bei mehr als 16,2 Millionen Euro eine Schmerzgrenze erreicht, man könne es sich nicht leisten, über neue Stellen oder regelmäßige Anhebung der Dotierungen nachzudenken. Kreisweit liege man bei den Personalkosten an einsamer Spitze. Dem Bürgermeister reit er, sich externe Kompetenzen ins Haus zu holen, um das Wachstum der Personalkosten zu stoppen. „Sie sind der Verwaltungschef und tragen die Verantwortung. Ihr seit Jahren praktiziertes Stellenhöherdotierungskarussell ist hier sicherlich keine Lösung“, wandte sich Wilfried Kleinen an den Bürgermeister.
Auch beim Thema Stadtentwicklung sprach er den Bürgermeister direkt an und forderte dessen persönliche Präsenz zum Beispiel bei Gesprächen über eine Vermarktung der Industriefläche Lindern. Der Bürgermeister brauche Mut zur Entscheidung, statt allzu oft die weiße Friedenskarte zu heben. Mit der Feststellung, dass er in den vergangenen Monaten eine erschreckende Zunahme an mangelndem Respekt und an Sachlichkeit festgestellt habe und dass dies die Politikverdrossenheit stärken werde, schloss Wilfried Kleinen. Dem Haushalt, so fügte er an, stimme man unter dem Vorbehalt zu, dass der Bürgermeister die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) ins Haus hole, um die Personalaufwendungen einzudämmen.
Stefan Mesaros („Für GK“)
Auch Stefan Mesaros für die Fraktion „Für GK“ sprach das immer noch hohe Haushaltsdefizit an und stellte fest, dass man künftig jeden Antrag und jedes Projekt, das Geld kostet, sehr genau prüfen müsse. Man müsse manchmal auch berechtigte Anliegen zurückweisen, um den Spagat zwischen Sparkurs und Gestaltung der Stadt hinzubekommen. Trotz vieler Aufgaben müsse man es schaffen, diese mit dem vorhandenen Personalschlüssel zu erledigen. Eine weitere Aufblähung des Verwaltungspersonals sei nicht zu akzeptieren. Ein sehr wichtiger Bereich, so Mesaros, seien die Wirtschaftsförderung und die Erschließung neuer Gewerbegebiete. „Verschlafen wir hier die Entwicklung, hat das langfristig dramatisch negative Folgen für unsere Stadt“, sagte er. Ihm, dessen Herzblut der Sozialpolitik gehöre, sei klar dass man wirtschaftlich erfolgreich sein müsse, um sich die Sozialpolitik leisten zu können.
Hart ging Mesaros mit Bürgermeister Georg Schmitz ins Gericht. Man müsse feststellen, dass dieser eklatante Fehlleistungen in der Personalführung dulde oder selbst verschulde. Eine professionelle Führung sei bei Schmitz Fehlanzeige, so nur einige Vorwürfe. Man hätte sich vom Bürgermeister klare Vorgaben und mehr Rückendeckung für die Mitarbeiter gewünscht. Wenn ausgerechnet dieser Bürgermeister eine sachlichere Diskussion im Rat anmahne, lasse das ihn, Mesaros, zwischen Heiterkeit und Verärgerung schwanken. Die Kritik komme von einem Bürgermeister, der noch nie mit sachlichen Beiträgen geglänzt habe. Mesoros: „Handeln Sie im Interesse unserer Stadt, und treten Siwe bei der nächsten Wahl nicht mehr an“.
Seine Rede schloss Stefan Mesaros mit dem Dank an seine Ratskollegen und die Mitarbeiter der Verwaltung, nachdem er zuvor festgestellt hatte, dass die fraktionsübergreifende Zusammenarbeit in der Regel kollegial und sachorientiert läuft. Mesaros: „Man kann sich hier im Rat vor oder nach einer Sitzung immer noch die Hand reichen oder miteinander sprechen!“
Bei sechs Reden von beachtlicher Länge wurde auch die Aufmerksamkeit der Zuhörer arg strapaziert. Wer Interesse an der Kommunalpolitik hat, kann aber die Internetseiten der Fraktionen aufrufen. Zumindest auf einigen davon werden die Haushaltsreden veröffentlicht. (mh)