Von Manfred Hahn
Geilenkirchen. Mit einer Art von Niederlage endete für Geilenkirchens Bürgermeister Thomas Fiedler und seine Verwaltung das kommunalpolitische Jahr 2011: Die Ratsmehrheit lehnte den Verwaltungsvorschlag, die Realschule auslaufen zu lassen und die Gesamtschule gleichzeitig auszubauen, ab. Deshalb zielt auch die erste Frage von „geilenkirchen-lokal.de“ im Interview zum Jahreswechsel auf die Schulpolitik.
Herr Fiedler, sehen Sie Überlebenschancen für die Realschule?
Fiedler: Nach dem derzeitigen Kenntnisstand – 36 Anmeldungen – hat die Realschule keine Überlebenschancen. Wie ich das Interesse an der Realschule sehe, werden die Anmeldezahlen auch in Zukunft nicht reichen. Vermisst habe ich in den Diskussionen vor der Ratssitzung auch Hinweise der Realschule auf ein verändertes inhaltliches Konzept. Bei aller Skepsis wünsche ich allerdings der Realschule möglichst viele Anmeldungen. Wenn die ausbleiben, gerät das Thema Schulpolitik in den Wahlkampf, was keine gute Sache wäre.
Abgesehen vom Schulangebot – wie kann Geilenkirchen für Jugendliche attraktiver werden ?
Fiedler: Im Jahr 2012 wird eine ganze Reihe von Projekten fortgesetzt oder neu angegangen, die sich auf Integration von Minderheiten, vor allem aber auch auf die Situation von Jugendlichen beziehen. So gibt es im Rahmen der Aktion „Toleranz fördern“ etliche Einzelprojekte. Zum Beispiel Stadtteilprojekte in verdichteten Wohngebieten mit hoher Zahl an Kindern und Jugendlichen.
Zurzeit wird Jugendarbeit vor allem von Vereinen und Kirchen betrieben. Steht – wie seit Jahrzehnten – die Frage nach einem städtischen Jugendzentrum noch im Raum ?
Fiedler: Mir ist wie allen, die sich mit der Frage beschäftigen, klar, dass Jugendliche mehr wollen als beaufsichtigte Treffpunkte. Für Aktivitäten wie sagen wir zum Beispiel Breakdance oder ähnliches braucht man vor allem Platz. Das muss kein Haus sein, vielleicht nur ein größerer Raum, der von der Jugend selbst gestaltet und verwaltet wird. Das ist allerdings ein Wunsch, dessen Finanzierung fraglich ist.
Andere Projekte, die nicht speziell auf Jugendliche zugeschnitten sind ?
Fiedler: In diesen Tagen startet das Projekt „Bauchemer Bürgerplätze“, das heißt, in einem so großen Stadtteil wie Bauchem sollen Treffpunkte, Begegnungsplätze gefunden und gestaltet werden. Das ist – wie andere, ähnliche Vorhaben – natürlich nur durchführbar, wenn Bürger mithelfen oder vielmehr Eigeninitiative zeigen. Außerdem wird es unter dem Namen „Gangway“ Veranstaltungen zur Integration ausländischer Mitbürger geben. Auch so genannte „runde Tische“ für Migrantenfragen, ältere Mitbürger oder die Inklusion behinderter Mitbürger und Mitbürgerinnen wird es geben. Schließlich sind auch Projekte zur Erinnerung an ehemalige jüdische Mitbürger geplant. In den Bereich Soziales und Kultur gehört auch unsere Veranstaltungsreihe zum Thema europäische Partnerländer. Anders als bisher mit ganzen Veranstaltungsreihen in jährlichem Wechsel wollen wir künftig in Einzelveranstaltungen – zum Beispiel Konzerten – das Thema Europa pflegen. Das auch in der Absicht, Einsparungen vorzunehmen. Den Anfang wird um Pfingsten ein Treffen mit den bretonischen Freunden machen. Aber auch darüber hinaus wollen wir mit interessanten Regionen zusammenarbeiten.
Sparen ist auch ein Stichwort für die Stadtentwicklung oder Innenstadtsanierung. Viele bedauern den Stopp nach dem zweiten Bauabschnitt. Wie geht es weiter ?
Fiedler: Ende 2012 wird mit dem dritten Bauabschnitt im Rahmen des Gesamtkonzeptes begonnen. Es geht dabei um die Gestaltung der Fläche vor dem Gymnasium St. Ursula. Hier wird eine Art Treffpunkt mit Sitzmöglichkeiten und ansprechender Gestaltung entstehen. Der Bewilligungsbescheid für den Landeszuschuss liegt schon vor. Zuvor muss jedoch dringlich der Belag des Marktplatzes saniert werden. Hier geht es nicht nur um Ästhetik sondern vor allem um Sicherheit, weil sich Steine aus der Pflasterung lösen und zu Stolperfallen werden. Ein vierter Bausabschnitt wird schließlich den Bereich wischen dem Kreisverkehr an der Herzog-Wilhelm-Straße und dem Gelo-Carree umfassen. Dabei werden sicher auch Probleme wie schlechte Beleuchtung oder Fußgängergefährdung – wie sie im Stadtrat angesprochen wurden – Beachtung finden.
Weitere Vorhaben der Stadterneuerung ?
Fiedler: Es gibt viele auch schon konkrete Pläne, für die ich jedoch keinen Zeitplan benennen kann. Das ist einmal der Bahnhofsvorplatz, nachdem das Gebäude nun saniert und für eine neue Nutzung bereit ist. Hier wird es nicht um großen Aufwand, sondern eher um eine „Aufhübschung“ für relativ kleines Geld gehen. Ein neues Gesicht braucht auch die Haihover Straße, wenn sie für die Geschäftswelt attraktiv werden soll. Das wird nur in Zusammenarbeit mit dem dortigen Rewe-Markt oder einem Nachfolger möglich sein. Für eine fernere Zukunft könnte ich mir auch eine günstigere Anbindung vom Parkplatz am Beamtenweg an die Stadt (Haihover Straße) vorstellen. Und sanierungswürdig ist schließlich auch der Bereich Gerbergasse. Auch hier hat der Belag gelitten.
Stadtsanierung ist sicher auch eine Förderung der Geschäftswelt. Wie steht es um die weitere Wirtschaftsförderung ?
Fiedler: Noch mal kurz zur Innenstadt. In absehbarer Zeit fertig gestellt ist die Passage von der Konrad-Adenauer-Straße aus in Richtung Gelo-Carree (Kaufland). Die wird in jedem Fall hell, freundlich und einladend. Und sie bietet Platz für kleine attraktive Geschäfte. Unter anderem entsteht hier ein Geschäft, an dem die Damen wohl kaum vorbeigehen können. Im Gespräch ist für die Stadt auch die Realisierung eines neuen Hotelprojektes, gedacht wird dabei an mittleres Business-Hotel. Offen ist noch, ob es Interessenten für ein neues Projekt gibt oder ob man eine bestehende Einrichtung entsprechend erweitern kann.
Und die Wirtschaftsförderung außerhalb ?
Fiedler: Da ist vor allem die Erschließung des zehn Hektar großen Gewerbegebietes an der Sittarder Straße (zwischen Geilenkirchen und Gillrath) zu nennen. Kurz vor der Eröffnung steht hier am Rand des Gewerbegebietes Niederheid die fast fertige Großtankstelle aber auch ein ungarischer Backbetrieb, der mehr als 30 Mitarbeiter beschäftigen wird. Verbunden durch einen Kreisverkehr wird dieses Gebiet auch auf der anderen Straßenseite (Richtung alte Kreisbahntrasse) erweitert. Hier gibt es beachtliche Interessenten, das Gebiet wird mit Sicherheit bald „brummen“. Gewährleistet ist, dass hier keine neuen Supermärkte oder Discounter angesiedelt werden, keine Gefahr also für die innerstädtische Geschäftswelt.
Seit vielen Jahren weist Geilenkirchen auch ein Industriegebiet – böse Zungen sprechen von Industriebrache – in Lindern aus. Gibt es hier neue Entwicklungen ?
Fiedler: Ja, hier steht die Gründung einer Vermarktungsgesellschaft an, die sich um die Erschließung und Vermarktung von Grundstücken kümmert. Verbessern wird sich hier die Straßenanbindung. Die L 364 neu steht mittlerweile auf der Prioritätenliste im Landesstraßenbauprogramm, und auch die Wiederbelebung der Bahnstrecke von Heinsberg nach Lindern könnte einer künftigen Vermarktung dienlich sein.
Das Thema Verkehr und Bahn führt zu der Frage: Was wird mit dem Bahnübergang („Glückauf-Schranke“) in Hünshoven ?
Fiedler: Mit Bahn haben wir gesprochen und erfahren, dass deren Planung nicht – wie zunächst gedacht – für 2014, sondern erst für 2016 ansteht. Wir müssen hier auch bedenken, dass die Bahn lediglich das „Loch“, also die Unterführung, graben wird, für alle begleitenden Maßnahmen ist die Stadt zuständig, was Kreditaufnahmen in enormer Höhe erforderlich machen würde. Hier sollten wir erst einmal genauestens den Bürgerwillen ermitteln. Als Autofahrer kann man diesen Engpass schließlich auch umfahren.
Was ist neben den Themen wie Soziales, Stadtsanierung, Wirtschaftsförderung und Verkehr für Sie im Jahr 2012 besonders dringlich ?
Fiedler: Das Thema Energie. Im Jahr 2014 läuft der Konzessionsvertrag mit dem Stromlieferanten aus, bei unserem Versorger ist sogar ein früherer Ausstieg möglich. Ein neuer Vertrag muss gut vorbereitet werden, weil er die Kommunen für 20 Jahre festlegt. In der Energiepolitik könnte bald so etwas wie ein „kommunales Klimaschutzprojekt“ Pflicht werden. Auch deshalb gilt es, die Zeit zu nutzen, in der man noch an Fördermittel kommen kann. Fördermittel für Dinge, die ohnehin auf unserer Agenda stehen, Zum Beispiel für die energetische Sanierung des Hallenbades. Beim Thema Energie sind wir auch jetzt schon auf einem guten Weg. Es gibt Solaranlagen auf städtischen Gebäuden, und es können noch mehr werden. Vorbereitet werden auch völlig neue Wege der Energie Politik. Zum Beispiel die Bildung eines „Bürger-Solar-Fonds“. Das heißt, dass sich Bürger, die nicht über eigene Flächen für Solaranlagen verfügen, in andere, öffentliche Projekte „einkaufen“ können – sagen wir zum Beispiel für rund 5000 Euro. In einem solchen Fonds, der von Institutionen wie Energieversorger oder Sparkasse gefördert wird, haben die Bürger dann Anteil an der Wertschöpfung. Gerne würde ich auch die Vereine an solchen energetischen Projekten beteiligen.
Das wichtigste Ziel für die nächsten Monate ist jedoch – wie in allen Jahren bis 2022 – die weitere Konsolidierung des Haushalts, Schuldenabbau also. Wir haben mehr als 80 Handlungsfelder zum Thema Einsparung, dazu gehören auch solche Ideen wie Privatisierung des Schwimmbades, bisher jedoch nur als Idee. Das alles muss ab Mitte Januar mit den Ratsfraktionen besprochen und später im Rat beschlossen werden.