Geilenkirchen. Der Geilenkirchener Haushalt für 2020 hat die Hürde der Ratssitzung geschafft. Nach den Haushaltsreden der einzelnen Fraktionsvorsitzenden gab es eine deutliche Mehrheit für das Zahlenwerk, das im kommenden Jahr die Arbeit der Verwaltung bestimmt. Das Ritual der Reden dauerte rund zwei ermüdende Stunden und bot etliche Wiederholungen, wie sie bei sieben Fraktionen wohl nur schwer zu vermeiden sind. Für den weiteren Verlauf der Ratssitzung boten die Reden jedoch auch Stoff für teils heftige Diskussionen. Einig waren sich alle im Lob an den Kämmerer und seine Mitarbeiter für das gut 450 Seiten starke Zahlenwerk, das Aufwendungen von rund 74 Millionen und Erträge von rund 72 Millionen und damit ein Defizit von zwei Millionen Euro ausweist. Ein Defizit, das in den Jahren ab 2021 reduziert werden muss, wie der Bürgermeister im Haupt- und Finanzausschuss ausgeführt hatte. Weitgehend einig waren sich die Fraktionen aber auch in der Schelte für Bürgermeister Georg Schmitz.
Stellungnahmen der Fraktionsvorsitzenden im Geilenkirchener Rat:
Max Weiler (CDU)
Für die CDU als größte Fraktion sprach deren Sprecher Max Weiler die Äußerungen des Bürgermeisters an, nach denen es in der Kommunalpolitik eine um sich greifende Vielzahl von Konzepten gebe. Konzepte, so Weiler, seien aber auch im Sinne der Bürger umzusetzen. Davon, wie wichtig das sei, könne sich der Bürgermeister doch einmal bei einem Starkregenereignis überzeugen, wenn Familien – von der Feuerwehr unterstützt – versuchten, ihr Habe von Schlammresten zu befreien. Weiler sprach auch die Notwendigkeit einer Stadthalle für Geilenkirchen an, die ebenso wichtig sei wie die Bürgerhäuser in den Außenorten. Hier gelte es zunächst einen Standort zu finden, der auch verkehrsgünstig am Rand des Zentrums liegen könne. Beim Thema Bürgerhäuser wies er auf ein Problem für den Ortsteil Gillrath hin. Dort werde die Kirche das „Haus Vossen“ künftig anders nutzen.
Bei der Sportstättensanierung, so Weiler, sei man leider ein Jahr in Verzug geraten, und in den Bereich Sport falle auch der Wunsch des Stadt-Sport-Verbandes nach einem Geschäftsführer aus der Stadtverwaltung. Man müsse sich fragen, ob es bei tausend Mitgliedern in diesem Verband keinen geeigneten Kandidaten gebe und ob die Vereine überhaupt noch einem Stadt-Sport-Verband brauchten. Die CDU spreche sich gegen eine finanzielle Unterstützung zur Bezahlung eines Geschäftsführers aus.
Ein Zeichen für Kontinuität seien die unveränderten Hebesätze für Grund- und Gewerbesteuer sowie für die Grundbesitzabgaben. Die große Herausforderung in der Zukunft sei bezahlbarer Wohnraum für die Stadt, die bis 2030 voraussichtlich mehr als 30.000 Einwohner zählen werde. Da es hier scheinbar immer weniger private Investoren gebe, erwarte man Antwort auf die Frage, ob nicht auch die öffentliche Hand am Markt auftreten könne. In seiner Rede wandte sich Weiler auch dem Thema Kindertagesstätten und Gebühren zu, das nach den Haushaltsreden intensiv diskutiert wurde. Die Fraktionen, die für eine Heraufsetzung der Einkommensgrenze zur Befreiung von Kita-Beiträgen auf 38.000 Euro seien, wollten ohne Not jährlich Gelder der Stadt in Höhe von 40.000 Euro zum Fenster hinaus werfen. Die CDU folge hier der kreisweiten Lösung von 27.000 Euro als Einkommensgrenze.
Beim Thema Klimanotstand warf Weiler den Grünen vor, stur auf nicht durchsetzbaren Forderungen zu beharren und „allgemeine Placebos“ unter die Leute zu bringen. In seinem Fazit ging er auch auf die um 1,75 Millionen Euro wachsenden Personalkosten ein. Dabei müsse man allerdings sehen, dass 15 neue Stellen – zehn Erzieherinnen oder Erzieher und fünf weitere im städtischen Bereich – geschaffen werden. Dem grundsoliden Haushaltsentwurf werde die CDU zustimmen.
Jürgen Benden (Bündnis 90/Die Grünen)
Für die Grünen verband Jürgen Benden den Dank für die Leistung des Kämmerers mit der von Grünen seit Jahren wiederholten Forderung nach Abschaffung der Einrichtung von Ortsvorstehern. Hier könne man jährlich 20.000 Euro einsparen, und dass diese Summe nicht als freiwillige Leistung im Haushaltsentwurf auftauche, sei unredlich. Dem Bürgermeister und anderen Fraktionen warf Benden Versagen in der Klimapolitik vor. Beim 2013 verabschiedeten Klimakonzept für die Stadt finde man lauter unerledigte Projekte. So auch bei der Stelle eines Klimaschutzbeauftragten, die wieder nur auf zwei Jahre begrenzt werde. Der Ausbau von Fotovoltaik auf städtischen Dächern komme ebenso wenig voran wie die Errichtung eines Blockheizkraftwerkes. Es gebe kein an der Zukunft orientiertes Baugebiet, und bei der Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LED sei der Haushaltsansatz reduziert worden. Seinen Ratskollegen warf er vor, sich mit einem kleinen „Klimafeigenblättchen“ die Welt schön zu reden.
Im Haushaltsentwurf, so Benden, finde man keinen Ansatz für ein Konzept zur naturnahmen Stadtentwicklung. Lediglich 2.500 Euro seien für Tourismusförderung angesetzt, wenn man auch positive vermerken müsse, dass 65.000 Euro für die überfällige Planung des Wurmauenparks ausgewiesen sind. Ein schlimmes Beispiel für den Umgang mit der Natur in Geilenkirchen sei der Neubau der Turnhalle in Gillrath. Nach acht Jahren reden über den Standort habe man in einer Hauruck-Aktion 20 gesunde Bäume gefällt und unnütz Geld ausgegeben mit dem Ergebnis, dass man einen Schulhof ohne Beschattung geplant und dabei auch noch die Barrierefreiheit vergessen habe. Die Aussage des Bürgermeisters über die zu große Zahl neuer Konzepte konterte Benden mit der Feststellung, dass man so viele Konzepte beantrage, weil vom Bürgermeister kein Plan, keine Idee und kein Konzept komme. Genauso konzeptlos sei auch der Haushalt aufgestellt, den die Grünen ablehnten.
Ausführlich ging Jürgen Benden auf die Themen Jugend, Kitas und Schulen ein. Nur 0,28 Prozent des Haushaltes würden für Räume für Jugendgruppen und Spielplätze ausgegeben, während acht Prozent für Heimunterbringung und Sozialpädagogische Familienhilfe eingeplant sind. Das sei ein Zeichen für die mangelnde Prävention. Bei den Kita-Plätzen bekomme man jetzt die Kurve, aber man müsse weiter denken und frühzeitig zum Beispiel den Ausbau der Plätze für die Offene Ganztagsschule planen. Ein für die Grünen wichtiges Thema, die Elternfreibeträge bei den Kitagebühren, wurde später unter einem gesonderten Punkt abgehandelt.
Christoph Grundmann (SPD)
Auch für Christoph Grundmann als Sprecher SPD war das Thema Kita-Gebühren wichtig. Die SPD steht dabei auf der Seite der Grünen, und Christoph Grundmann befürchtete, dass die Ratsmehrheit an der Kompetenz des Jugendhilfeausschusses, der den Freibetrag von 38.000 Euro vorgeschlagen hatte, zweifele. Die CDU solle sich schämen, gegen den Sachverstand des Ausschusses zu stimmen. Schämen solle sie sich auch, die Wiedereinstellung eines Klimaschutzbeauftragten auf zwei Jahre zu begrenzen. So gewinne man kaum einen qualifizierten Menschen. Erhebliche Zweifel äußerte Grundmann an der Arbeit von Bürgermeister Georg Schmitz, den er als Person, so Grundmann, sehr schätze. Schmitz scheine keine eigene Meinung zu haben und der „Bürgermeister der weißen Karte“ zu sein. Er wolle in der Öffentlichkeit das Bild vom „Schorsch, den jeder mag“ aufrecht erhalten, was bei seinem Amt aber nicht gehe.
Grundmann warf auch einen kritischen Blick auf die eigene, schrumpfende SPD-Fraktion. Im Stil eines Märchens erzählte er, wie aus sieben SPD-Ratsmandaten nach der Kommunalwahl vier wurden. Schon nach einem Jahr gründeten zwei Mitglieder eine eigene Fraktion („Für GK“), und aktuell warf ein SPD-Mitglied bei der Festlegung der Listenplätze für die kommende Wahl dem Vorstand sein Parteibuch vor die Füße, weil er auf Platz fünf gesetzt wurde. Den beiden „Für GK“-Ratsmitgliedern warf er vor, noch ein Jahr mit dem Übertritt zur Bürgerliste zu warten, um nicht das Geld für den Fraktionsvorsitz zu verlieren.
An wichtigen Themen für die Zukunft Geilenkirchens nannte Grundmann den sozialen Wohnungsbau sowie die sinnvoll geplante Entwicklung der Dörfer und lobte die gelungene Quartiersentwicklung für Bauchem. Zur eigentlich als „Meilenstein“ für die Entwicklung der Stadt zu sehenden Entwicklung beim Industriegebiet Lindern kündigte er an, dass man darauf achten werde, die Bürgerinnen und Bürger nicht über Gebühr zu belasten. Abschließend erklärte Grundmann, für die Dörfer und die Stadt tue der Haushalt mit Investitionen in Sportstätten, Kindergärten, Schulen und in Personal für den Stadtbetrieb sehr viel. Mit allen aufrechten Sozialdemokraten werde man dem Haushalt deshalb zustimmen.
Christian Kravanja (Freie Bürgerliste)
Für die Bürgerliste ist nach den Worten von Fraktionschef Christian Kravanja der Haushalt „ehrgeizig, ökologisch, zukunftsorientiert“, aber leider auch unausgeglichen und fremdbestimmt. Er begrüßte ausdrücklich die mit 19,7 Millionen Euro nie dagewesene Höhe der Investitionen und dabei auch den beabsichtigten Kauf von Grundstücken zum Beispiel für die Gewerbeansiedlung. In diesem Zusammenhang äußerte er allerdings Kritik an der Entwicklungsgesellschaft und damit an der Immobilien-Beteiligungs-Gesellschaft der Kreissparkasse. Letztere wisse, dass man muit Grundstücken für Wohnbebauung Geld verdienen könne, kaum aber mit Gewerbegrundstücken. Er stellte die frage, wie lange man sich das noch bieten lasse wolle. Zehn Prozent aller Investitionen, nämlich zwei Millionen Euro, ließen sich dem Klimaschutz zuordnen. Da ließe sich sicher „noch eine Schippe drauf legen“, doch die Stadt sei eindeutig in die richtige Richtung aufgebrochen und das ohnd einen plakativ ausgerufenen Klimanotstand.
Sorge bereiteten der Bürgerliste jedoch das erwartete Haushaltsdefizit von zwei Millionen sowie das Anwachsen des Schuldenstandes von 16,5 auf 25 Millionen Euro. Besonders das kommende Wahljahr berge die Gefahr von Wahlgeschenken. Bei allen Entscheidungen seien neben den ökologischen auch die finanziellen Auswirkungen zu betrachten. Als Negativbeispiele nannte Kravanja den überraschenden Beschluss zur Anlage eines Kunstrasenplatzes statt des güntstigeren Naturrasens in Bauchem und die „Salamitaktik“, mit der der Bau eines Vereinsheims in Immendorf betrieben wurde. Die CDU habe hier schon alles „ausklüngeln“ können, während die anderen Fraktionen viel später informiert wurden.
Wie zukunftssicher Geilenkirchen aufgestellt sei, zeige sich an der langen Reihe von Investitionen in die Zukunft der Kinder und Jugendlichen. „Unsere Jugend liegt uns am Herzen, und wir sind bereit, große Summen in ihre Zukunft zu investieren“, sagte Christian Kravanja, die Bürgerliste werde dem Haushalt zustimmen.
Wilfried Kleinen (Geilenkirchen bewegen und FDP)
Dass sehr viele Dinge bereits ausgesprochen waren, sorgte wie immer dafür, dass die kleineren Fraktionen sich kürzer fassten. Für die Fraktion „Geilenkirchen bewegen und FDP“ lobte Wilfried Kleinen die Kreativität des Kämmerers, die zu einen historischen Tiefstand der Schulden geführt habe, warnte aber zugleich vor der Diskrepanz zwischen Aufwendungen und Erträgen. Zur Steigerung der Personalkosten um 38 Prozent auf 18,1 Millionen Euro mahnte Kleinen, dass die Stadt im kreisweiten Vergleich mit den Kommunen „weit abgeschlagen an einsamer Spitze“ liege. Das könnte zu Lasten der freiwilligen Leistungen gehen. Seine Fraktion sage nein zu unnötigen Kostentreibern wie Parkraumkonzept, Konzepte für den Wurmauenpark, einen touristischen Wanderweg oder Wirtschaftswege. Damit schüre man Erwartungen, die man nicht einhalten könne. Solange solche sinnfreien Kostentreiber im Haushalt verankert seien und die Aufwendungen nach oben trieben, werde seine Fraktion dem Haushalt nicht zustimmen, sagte Kleinen.
Stefan Mesaros(Für GK)
Als sehr ambitioniert, aber auch gewagt bezeichnete Stefan Mesaros für die Fraktion „Für GK“ den Haushaltsentwurf. Und er sei mit seiner Weichenstellung auch zukunftsweisend. Es müsse jedoch klar sein, dass man nicht jedes Jahr solche Summen investieren könne. Künftig müsse jeder mit Kosten verbundene Antrag auch Aussagen über die Finanzierung treffen. Einen Wettbewerb nach dem Motto „Welche Fraktion stellt die meisten Anträge?“ werde man sich nicht mehr leisten können.
Mesaros sprach auch von guten Erfahrungen mit der Verwaltung und meinte, dass auch die Zusammenarbeit im Stadtrat besser sei als sie oft dargestellt werde. Deutlich kritisierte er aber, dass oftmals eine Sprache gewählt werde, die vollkommen unangemessen sei. Dieses Verhalten komme immer aus der gleichen Ecke, nämlich von den Grünen. Mit System würden die Grünen Sachthemen künstlich dramatisieren und skandalisieren. Da werde so provokant und plakativ formuliert, dass die Öffentlichkeit oft fälschlicherweise den Eindruck hat, „dass wir uns hier streiten wie die Kesselflicker“. Mit Blick auf den bevorstehenden Wahlkampf mahnte er Anstand und Respekt an und stimmte für seine Fraktion dem Haushalt 2020 zu.
Manfred Mingers (Die Linke)
Dass viele Dinge im Haushalt in Ordnung sind, bestätigte auch Manfred Mingers für die Linken. Allerdings, so Mingers, gebe es in Geilenkirchen immer noch den „bildungspolitischen Sündenfall“ zu beklagen, dass mit dem Erhalt der Realschule ein gemeinsames Lernen bis zum zehnten Schuljahr möglich wurde. Auch in der Jugendpolitik stimme der Schwerpunkt nicht. Viele Aktivitäten, die früher in der Stadt angeboten wurden, seien verschwunden, und die Stadt trete erst auf den Plan, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen sei. Es gebe gute Arbeit – allerdings überwiegend im Reparaturbetrieb und nicht in der Prävention. Die Zustimmung zum Haushalt hatten die Linken davon abhängig gemacht, ob der Vorschlag des Jugendhilfeausschusses, Eltern mit einem Einkommen bis zu jährlich 38.000 Euro die Kitabeiträge zu erlassen, sich durchsetzen konnte. Dass sich der Haushaltsentwurf mit einem Freibetrag von nur 27.000 Euro darüber hinwegsetze, sei eine Respektlosigkeit gegenüber dem Fachausschuss, sagte Mingers. Auch aus diesem Grund stimmten die Linken dem Haushalt nicht zu.
Nach dem rund zweistündigen Redenmarathon wurde der Haushalt für 2020 mit den Stimmen von CDU, Bürgerliste, SPD und „Für GK“ bei Neinstimmen von Grünen, „Geilenkirchen bewegen und FDP“ und Linken angenommen. (mh)