Geilenkirchen. Der Geilenkirchener Haushalt 2016 mit seinem Volumen von rund 60 Millionen Euro ist unter Dach und Fach. Einstimmig gaben in der Ratssitzung am Mittwoch die sechs Fraktionen und der fraktionslose Linke Manfred Mingers grünes Licht für das Zahlenwerk, Bürgermeister Georg Schmitz hat damit eine weitere Hürde in seinem immer noch neuen und schweren Amt genommen. Dass dies vor allem einer funktionierenden Verwaltungsmannschaft zu verdanken ist, wurde bei allen sechs Haushaltsreden deutlich. Vor allem das einhellige Lob für Kämmerer Daniel Goertz und seine Mitarbeiter zog sich wie ein roter Faden durch die sechs Haushaltsreden. Weitere Themen, die bei allen Rednern mit dem gleichen Grundton wiederkehrten, waren das Lob für die Verwaltung beim Umgang mit der Flüchtlingsproblematik und die heftige Kritik an Landrat Pusch und der Politik des Kreistages, aufgehängt an der wieder deutlich steigenden Kreisumlage.
Wenn sechs Redner, die weitgehend einer Meinung sind, auftreten, bleibt es nicht aus , dass sich Themenschwerpunkte und Bewertungen bei fast gleicher Wortwahl wiederholen. So war es ein glücklicher Zufall für Christoph Grundmann als Vorsitzender der Fraktion SPD-Linke, dass sich sein Kollege von der größeren CDU-Fraktion verspätete, und er als erstes ans Rednerpult treten konnte. Er wies unter anderem darauf hin, dass die Stadt ihre Einnahmen durch Steuererhöhungen weitgehend ausgeschöpft habe und nun wesentlich von der wirtschaftlichen Entwicklung in Land und Bund abhängig sei. Vor diesem Hintergrund bedauerte er, dass die Schlüsselzuweisungen des Landes für 2016 um knapp 300.000 Euro sinken und die „Gaststreitkräftesanierungshilfe“ um rund 250.000 Euro. Gleichzeitig steige die Kreisumlage um fast eine halbe Million Euro. Grundmann erinnerte daran, dass die SPD gemeinsam mit der CDU die Wichtigkeit der Bürgerinformation bei der Flüchtlingsfrage erkannt und eine Einwohnerversammlung in Lindern organisiert habe. „Flüchtlingspolitik ist in Geilenkirchen keine Parteipolitik“, betonte er, lobte die Pläne für die neue Unterkunft an der Friedensburg, wies aber zugleich darauf hin, dass eine dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge Ziel bleiben müsse.
„Erpressungsversuch des Aktionskreises“
Beim Blick auf die Bedeutung des Stadtmarketings ging Grundmann hart mit dem „Aktionskreis Geilenkirchen“ ins Gericht. Die Vertretung der Geschäftswelt scheine wegen mangelnder Solidarität der Mitglieder kaum noch handlungsfähig. Die Drohung des Vorsitzenden Strübig, ohne weitere Zuschüsse von der Stadt Veranstaltungen zu streichen oder die Weihnachtsbeleuchtung abzuschaffen, bezeichnete Grundmann als Erpressungsversuch. Die Forderung, die Stadt solle den Neujahrsempfang für den Aktionskreis ausrichten, setze dem Ganzen die Krone auf, das könne nicht Aufgabe der Stadt sein.
Positiv sah Christoph Grundmann die Entwicklung des neuen Gewerbegebietes und die Schaffung von neuen Wohngebieten. Allerdings müsse hier – vor allem in den Dörfern – dafür gesorgt werden, dass das schnelle Internet folge. Erfreut äußerte er sich zu der Entwicklung in der Schulpolitik. Mit der neuen Möglichkeit, an der Realschule einen vernünftigen Hauptschulabschluss zu erlangen, sei auch die Realschule gerettet. Die Situation der mittlerweile sechs Fraktionen im Rat, so Grundmann abschließend, dürfe man nicht (wegen der Kosten) kritisch sehen. Vielfalt biete auch Chancen, allerdings müssten die Politiker sich zum Wohle der Stadt kompromissfähiger als bisher zeigen.
Für eine moderate Gebührenerhöhung
Auch für den CDU-Fraktionschef Max Weiler war die Haushaltsrede eine Premiere. Kritisch sah er die Anhebung der Gewerbesteuer und zitierte die Industrie- und Handelskammer, für die auch eine geringfügige Erhöhung dieser Steuer ein falsches Signal ist, wenn man um ansiedlungswillige Unternehmen wirbt. Was die Einnahmenseite betrifft, bat Weiler für die CDU die Verwaltung, eine moderate Erhöhung von Gebühren zum Beispiel für Schwimmbad, Bücherei oder Offener Ganztagsschule zu prüfen. Zu prüfen sei auch, ob das Wiegesystem beim Hausmüll nicht zu mehr „wildem Müll“ führe, der auch Kosten verursache. Der CDU-Sprecher wies darauf hin, dass die Zinsaufwendungen 2016 um etwa 85.000 Euro sinken werden, und regte an, bei dem derzeit niedrigen Zinsniveau eventuell langfristige Kassenkredite aufzunehmen.
Bei der Flüchtlingsbetreuung, so Weiler, seien zwar zunächst Mehrausgaben zu erwarten. Mit der Fertigstellung der Unterkunft an der Friedensburg sei jedoch ab 2017 mit einem Rückgang der Mietkosten zu rechnen. Wie alle anderen Redner dankte auch Max Weiler der Verwaltung und den Ehrenamtlichen für ihren Einsatz bei der Flüchtlingsbetreuung. Bei den künftig notwendigen Investitionen sprach er auch das Bürgerhaus Bauchem an. Sicher brauchten die dortigen Vereine nach dem Schwimmbadbrand eine neue Bleibe, doch bestehe für die Fraktionen noch Klärungsbedarf und man solle ein wenig abwarten, um dann das Beste zu tun. Wie alle seine Mitredner dankte er dem Kämmerer und seiner Mannschaft für die geleistete Arbeit.
Steuererhöhungen sind kein „Allheilmittel“
Diesen Dank setzte Wilfried Kleinen für die Fraktion „Geilenkirchen bewegen! Und FDP“ an den Beginn seiner Rede, die übrigens die dritte Premiere in dieser Ratssitzung war. Zwar höre sich bei einem Haushaltsvolumen auf der Ertragsseite von 59,8 Millionen Euro eine Steigerung von knapp vier Millionen im ersten Moment gut an, doch gebe es bei den Ausgaben eine Steigerung von gut 4,3 auf 63,8 Millionen, weshalb man von der Verwaltung konstruktive Vorschläge zu Sparmaßnahmen erwarte. Was seine Fraktion bei den Ausgaben ganz besonders ärgere, so Kleinen, sei die Kreisumlage, die nach der Erhöhung den Haushalt mit 13,2 Millionen und damit 21 Prozent belaste. Dies sei auch auf Fehlinvestitionen des Kreises zurückzuführen. Auf die Rolle des Kreises kam Kleinen zurück, als er von den Anhebungen der Steuerhebesätze sprach. „Wir sagen mit aller Deutlichkeit, dass Steuererhöhungen nicht das Allheilmittel sind“, sagte Kleinen. Vielmehr müsse der Druck auf den Kreis und das Land erhöht werden, damit nicht immer die Kommunen die Suppe auslöffeln müssten.
Beim Stellenplan, so Kleinen, falle auf, dass bei den Beamten im gehobenen Dienst vier Beförderungen anstünden, was für Kommunen von der Größe Geilenkirchens sicher ein Novum sei. Während er für seine Fraktion beim Thema Stadtentwicklung die neuen Bebauungspläne begrüßte, wies er beim Punkt neues Gewerbegebiet auf „erhebliche Fehler“ des ehemaligen Bürgermeisters Fiedler hin. Dieser habe „Interessenten zappeln lassen“ oder sie „in seinem Schreibtisch gehortet“. Mit dem Verkauf der Gewerbegrundstücke hätte schon ein halbes Jahr früher begonnen werden können. Die Stadtentwicklung habe unter Bürgermeister Fiedler stagniert. Bevor er „trotz Magengrummeln“ die Zustimmung zum Haushalt aussprach, kam er auch auf das geplante Vereinsheim in Bauchem zu sprechen. Hier solle man doch prüfen, ob es nicht vielleicht eine Kombinationslösung etwa gemeinsam mit der Gesamtschule gebe.
Stolz auf die Willkommenskultur
Jürgen Benden von den Grünen beendete als „alter Hase“ die Reihe der Premieren bei den Haushaltsreden. Er begann mit der erfreuten Feststellung, dass ein Haushaltssicherungskonzept bis 2019 wohl nicht mehr in Sicht sei und dass die Anhebung der Steuerhebesätze im Vergleich zu anderen Kommunen durchaus moderat seien. Im Hinblick auf die Flüchtlingsbetreuung sei er stolz auf die Willkommenskultur in der Stadt und in den Dörfern. Ehrenamtler und Verwaltungsmitarbeiter leisteten Hervorragendes, obwohl ihnen „die Arbeit oft bis zur Oberkante der Unterlippe“ reiche. Benden begrüßte es, dass 2016 nicht wie in den Vorjahren mit wenig durchdachten Baumaßnahmen in der Innenstadt Geld in den Sand gesetzt werde, kritisierte wie seine Vor- und Nachredner heftig die steigende Kreisumlage und wandte sich dem Thema „Stadt der Zukunft“ zu. Hier habe man mit der Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LED etwas erreicht, aber man habe zwar ein kommunales Klimakonzept, doch das nütze nichts, wenn es nicht auch gelebt werde. Dazu gehöre, dass künftig alle städtischen Gebäude sukzessive mit einer Fotovoltaikanlage bestückt werden. Wie schon oft in der Vergangenheit kritisierte Benden die Einrichtung der Ortsvorsteher, ein „entbehrlicher Luxus“, der den Haushalt jährlich mit 20.000 Euro belaste. Kritik übte er auch am wachsenden Flächenverbrauch und der Ausweisung von Bauland im Landschaftsschutzgebiet wie in Teveren.
Nach vielen verschlafenen Jahren gebe es dagegen in der Schulpolitik mit dem möglichen Hauptschulabschluss an der Realschule endlich etwas Positives, sagte Benden und schlug abschließend vor, allein schon wegen der Flüchtlingsproblematik einen neuen Fachausschuss „Soziales und Integration“ zu bilden, sowie – für mehr Effizienz und als Sparmaßnahme – die Fachausschüsse von 19 auf 13 Personen zu verkleinern.
Knapp am Sicherungskonzept vorbei geschrammt
Den Begriff der „Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit“, den Bürgermeister Schmitz beim Einbringen des Haushalts gebraucht hatte, setzte Christian Kravanja als Sprecher der Bürgerliste an den Beginn seiner Ausführungen. Wie knapp man bei dieser „Fähigkeit“ am Haushaltssicherungskonzept vorbei schramme, zeigten Zahlen: „Lediglich 875.000 Euro im Jahr 2016 und 650.000 im Jahr 2017 trennen uns vom Haushaltssicherungskonzept“. Sparsamkeit sei also weiterhin das Gebot der Stunde, so Kravanja. Doch zur Sparsamkeit sei auch der Kreis Heinsberg verpflichtet, und Landrat Stefan Pusch habe sich wieder als Märchenonkel gezeigt, indem er bei dem defizitären Museum „Begas-Haus“ auf die Kostenerstattung des Museums für das vom Kreis bereitgestellte Personal verzichtet und damit die Kreiseinnahmen verringert habe, was zur gar nicht märchenhaften Erhöhung der Kreisumlage beigetragen habe. Künftig dürfe die Kreisumlage nicht mehr von den Städten und Gemeinden abgenickt werden.
Skeptisch äußerte sich Kravanja zu einem Plan des Bürgermeisters, den abgesagten Neujahrsempfang des Aktionskreises 2017 durch einem modernen Neujahrsempfang zu ersetzen. Das wäre, so Kravanja, ein Schlag in das Gesicht der Schützen und Karnevalisten, für die entsprechende Veranstaltungen gestrichen wurden. Auch wenn die Erhöhungen bei den Steuerhebesätzen in Geilenkirchen noch moderat seien, zeige der Anstieg bei den Gemeindesteuern um rund 700.000 Euro, wie nötig die Erhöhungen waren, wenn man nicht in die Haushaltssicherung geraten wollte. Um die Realsteuern künftig auch ohne Erhöhung bei den Hebesätzen zu mehren, sollten nach Ansicht der Bürgerliste die Anstrengungen zur Anbindung des Industriegebietes Lindern intensiviert werden. Hier erwarte man einen neuen Vorstoß von Bürgermeister Georg Schmitz. Bei den Investitionen, so Kravanja weiter, fließe der Großteil des Kuchens wieder in die Innenstadt. In den Dörfern könne das zu einem Gefühl von Ungleichbehandlung führen. Während man es für gut und richtig halte, dass im neuen Haushalt 200.000 Euro für das Bürgerhaus in Bauchen bereitgestellt werden, sehe man eine deutliche Erhöhung des Zuschusses kritisch, sagte Kravanja und schloss mit dem Fazit, dass man trotz unterschiedlicher Meinung in Einzelpunkten sich mit vielen Punkten des Haushaltes identifizieren könne und deshalb mit ruhigem Gewissen dem Haushalt 2016 zustimme.
Anreize für junge Menschen schaffen
Das tat auch Gabriele Kals-Deußen für die Fraktion „Für GK“. Der Haushalt 2016 biete kaum Neues sagte sie, faktisch habe man auch weiterhin kein Geld und keinen Spielraum und gebe dennoch Geld aus. In der Klage über die steigende Kreisumlage war sie einer Meinung mit ihren Vorrednern, und bei den Investitionen gehe es um notwendige Maßnahmen, die sich keinen Luxus erlaubten. Herbe Kritik übte sie beim Thema Gewerbegebiet und Wirtschaftsförderung. Beim neuen Gewerbegebiet habe sie das ungute Gefühl, dass man „das Filetstück verramscht und nicht auf Nachhaltigkeit bedacht weiterentwickelt“. Ein ungutes Gefühl habe ihre Fraktion auch im Hinblick auf die Fliegerhorstsiedlung Teveren. „Die Bima (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben) lässt uns arbeiten, lehnt sich zurück und erwartet, dass wir in ihrem Sinne handeln. Das geht so nicht!“ Bei der engagierten Arbeit in der Flüchtlingsbetreuung sieht Gabriele Kals-Deußen die Stadt auf einem guten Weg und würdigte dabei vor allem das umsichtige Handeln des Beigeordneten Herbert Brunen. Sorgen bereitet ihr dagegen die Situation in den Dörfern. Hier müsse man vor allem dafür sorgen, dass es auch für junge Menschen Anreize für das Wohnen im Dorf gebe. Sie regte an, das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung als unabhängige Denkfabrik zu kontaktieren, um Informationen für eines der wichtigsten Themen der Zeit einzuholen.
Schließlich nutzte Gabriele Kals-Deußen die Gelegenheit zu einer Abrechnung mit den Grünen, die sich ihrer Meinung nach der Strategie der Polemik und der Selbstdarstellung eines Einzelnen (gemeint war offensichtlich Jürgen Benden) hingeben. „Ehrenamtler schreiben verzweifelte Emails, damit Flüchtlinge vor profilneurotischen Grünen geschützt werden. Hauptsache, man steht in der zeitung“, so Gabriele Kals-Deußen. Den Stadtverordneten der anderen Fraktionen dankte sie für die Zusammenarbeit ebenso wie dem Kämmerer und seiner Mannschaft für deren Arbeit. (mh)