Geilenkirchen. Das war keine leichte Geburt: Zwar stimmten am Mittwochabend alle Fraktionen im Geilenkirchener Rat dem Nachtrag 2014 und dem Haushalt für 2015 zu, doch es gab einen Haken, und der hieß Stellenplan. Für die CDU forderte deren Sprecher Wilhelm Josef Wolff, den Stellenplan aus dem Haushaltsbeschluss auszuklammern. Er begründete das damit, dass seine Fraktion sich vom Bürgermeister getäuscht fühle, weil dieser beim Einbringen des Haushalts mit keinem Wort erwähnt habe, dass im nächsten Jahr im Höheren Dienst vier A13-Stellen in A-14-Stellen umgewandelt werden sollen. Ein Vergleich mit anderen Kommunen in der Region zeige, dass Geilenkirchen mit dann fünf A-14-Stellen mit großem Abstand die meisten Stellen in dieser Besoldungsgruppe hätte. Kritik übte Wolff vor allem an der Vorgehensweise des Bürgermeisters: „Haben Sie geglaubt, das würde den Politikern nicht auffallen?“, fragte er.
Wilhelm Josef Wolff: Herr Goertz, Chapeau – das war ein Meisterstück
Ein großes Lob hatte Wolff zuvor der Verwaltung und vor allem dem Kämmerer („Herr Goertz, Chapeau – das war ein Meisterstück!“) für die die Behandlung der 7,5 Millionen Euro Versicherungssumme für das abgebrannte Hallenbad gezollt, durch die Geilenkirchen die Fesseln der Haushaltsicherung ablegen konnte. Danach war für Wolff jedoch Schluss mit Jubel oder Lob. Bei 60,4 Millionen Euro Ausgaben und 56,65 Einnahmen fehlen, so Wolff, 3,75 Millionen, um den Haushalt 2015 auszugleichen.
Heftige Kritik übte die CDU an der Wirtschaftspolitik; in den Gewerbegebieten habe sich zu wenig Nennenswertes entwickelt, und „die Wirtschaftsförderung als Chefsache hat sich nicht als Erfolgsmodell erwiesen“. Auf die Wirtschaftspolitik kam Wolff noch einmal gegen Ende seiner Rede zurück und betonte, dass die CDU auch bei der Vermarktung der Flächen im erweiterten Gewerbegebiet Niederheid noch kein zukunftsweisendes Konzept erkenne. „Eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik lässt sich nicht im kleinen Kämmerlein durchführen“, sagte Wolff an die Adresse des Bürgermeisters.
Kritik übte Wolff auch am Kreis, der mit der Erhöhung der Kreisumlage den Bürgern zu viel abverlange und zu wenig leiste. Auch bei den Kosten für das Jugendamt und den Sozialleistungen gebe es zu wenig Ausgleich von Land oder Bund. Die Beherbergung Flüchtlingen müsse selbstverständlich sein: „2,20 Euro pro Monat und Bürger – das müssen wir leisten können“, sagte Wolff unter dem Beifall der großen Mehrheit im Rat.
Bei den 5,75 Millionen Euro für Gesamtinvestitionen hat nach Wolffs Meinung der Bürgermeister bei der Haushaltseinbringung zu positiv geklungen, schließlich müsste hier noch der Aufwand für den Hallenbadneubau abgezogen werden. Nachdem er lobende Worte für die Umgestaltung der Innenstadt gefunden hatte, betonte Wolff, dass seine Partei allerdings auch Wert auf die Förderung der Dörfer lege, wozu auch Wohnbaumöglichkeiten zählten. Die Anzahl der hier zur Verfügung stehenden Grundstücke sei zu gering. Zusammenfassend und unter Ausklammerung des Stellenplans bezeichnete Wolff den Haushalt als schlüssiges Zahlenwerk, das den vorhandenen Spielraum für eine nachhaltige Entwicklung der Stadt nutze.
Gabriele Kals-Deußen: Handlungsfreiheit ist Augenwischerei
Wie die große Mehrheit bei der Abstimmung zeigte, waren die übrigen Fraktionen in vielen Punkten mit der CDU einer Meinung, so dass es für die Redner der Fraktionen zwangsläufig zu Wiederholungen kam. Gabriele Kals-Deußen bezeichnete die Feststellung des Bürgermeisters über eine „neu gewonnene Handlungsfreiheit“ als Augenwischerei. Es gelte weiterhin, eine Haushaltskonsolidierung anzustreben, wobei auch eine Erhöhung der Gewerbesteuer helfen könne. Auch sie kritisierte die Haltung des Kreises und die Erhöhung der Kreisumlage („Solidarität sieht anders aus“) sowie die Ausgleichszahlungen des Landes. Dass den Kommunen nur 20 Prozent der Kosten für die Betreuung von Asylbewerbern erstattet werden, gehe so nicht.
Auch die SDP sei sich der Verantwortung für die Außenorte bewusst, sagte Gabriele Kals-Deußen, und kritisierte die Mängel beim Öffentlichen Personenverkehr und in der ärztlichen Versorgung. Zur Wohnsituation verwies sie auf viele leer stehende Immobilien, die man zu Mehrgenerationenhäusern oder Wohnungen umbauen könne. In der Wirtschaftsförderung, so die SPD-Sprecherin, brauche man eine Entwicklung, in der die einzelnen Module oder Unternehmen voneinander profitieren können. Dass bei diesem Ziel Wünsche und Träume nicht weiterführen, zeigten die Jahrzehnte langen schmerzlichen Erfahrungen mit dem gewünschten Industriegebiet Lindern. Die SPD-Sprecherin wies auf die im nächsten Jahr anstehende Bürgermeisterwahl hin und betonte, dass ihre Partei keinen Kandidaten der Mehrheitsfraktion unterstützen werde, der zwar die meisten Stimmen aber keine Ahnung habe. Für die SPD sei wichtig, dass der künftige Bürgermeister die Kompetenz habe, die Verwaltung mit Empathie und Engagement zu führen. Dem Haushaltentwurf stimme man zu im Bewusstsein, dass man sich „im Kettenhemd des Sparens“ bewegen müsse.
Hans-Jürgen Benden: Makulatur aus weißen Steinen und teuren Schwachsinn
Auch für Grünen-Sprecher Hans-Jürgen Benden bietet der Haushalt trotz des Ausgleichs für 2014 keinen Grund zum Jubel, Besonnenheit und Disziplin seien mehr denn je gefragt. Während er die Übereinstimmung bei der den Beschlüssen zum neuen Hallenbad als „Sternstunde der Demokratie“ sah, bezeichnete er die Haushaltsrede des Bürgermeisters als „Wahlkampfrede“. Wenn dort von Balance zwischen Außenorten und Zentrum die Rede war, so fehlten diesen Worten die Taten. Benden kritisierte die teuren Sanierungsmaßnahmen im Zentrum und nannte die „Makulatur aus weißen Steinen“ einen „teuren Schwachsinn“. Er wies auf die Ladenleerstände in der Innenstadt und sah darin eine Möglichkeit für zusätzlichen Wohnraum. In Bezug auf die Außenorte vermisste er Fortschritte in der Sanierung von Gehwegen Radwegen und Plätzen. Vor dem Hintergrund neuer Gewerbe- und Baugebiete forderte Benden eine Bedarfsanalyse und eine fundierte Umwelt- und Naherholungsplanung.
Zufrieden seien die Grünen mit der Entwicklung bei der Energieeinsparung durch die Umrüstung von Straßenbeleuchtung und öffentlichen Gebäuden auf LED-Technik. Nicht zufrieden sei man allerdings damit, dass ein versprochenes Klimaschutzkonzept offenbar „tief in einer Verwaltungsschublade schlummere“, Nach einem Appell, das Ehrenamt und die Vereine zu fördern, speziell auch die Vereine, die seit dem Brand des Hallenbades Schwimmunterricht anbieten, kam Benden auch auf die Schulpolitik und den Strukturwandel bei den Schulen. Hier warnte er vor Parteiengeplänkel. Die Schülerinnen und Schüler brauchten „Konsens und keine Ideologie“. Im Vertrauen darauf, dass sich in Geilenkirchen etwas bewegen lasse, so Benden stimmten die Grünen dem Nachtrag 2014 und dem Haushalt 2015 zu.
Christian Kravanja: Akzeptieren die handwerkliche Qualität der Haushaltssatzung
Hatte schon Hans-Jürgen Benden im Hinblick auf die Haushaltsrede des Bürgermeisters von Wahlkampf gesprochen, so setzte Christian Kravanja für die Bürgerliste noch einen drauf. Die stolze Aussage von Bürgermeister Fiedler über den ausgeglichenen Haushalt wirke „in der frühen Phase des Bürgermeisterwahlkampfs wie ein oberflächlich aufgehübschtes, im Kern aber problematisches potemkinsches Dorf“. Zu der eingenommenen Versicherungssumme von 7,5 Millionen sagte Kravanja: „Mit uns wird kein Cent davon zur Sanierung der städtischen Finanzen im Haushalt versickern“, die komplette Summe gehe an den Hallenbadneubau. Man werde darauf achten, dass der strenge Konsolidierungskurs nicht aufgeweicht werde.
Der Haushalt 2015 mit seinem Defizit von 3,8 Millionen Euro mache deutlich, so Kravanja, dass der Ausgleich im Nachtrag für 2014 nur ein einmaliger Effekt sei. Der Ansatz bei den Gewerbesteuern entspreche dem für 2014, das Wachstum sei in Geilenkirchen zum Erliegen gekommen. Auch er kritisierte die Aufstockung der Kreisumlage und appellierte an die Kreistagsfraktionen, den Kommunen mehr finanziellen Spielraum für ihre Entscheidungen zu lassen. Wie seine Vorredner freute er sich darüber, dass neben dem Hallenbadbau auch ein neues Heim für die Bauchemer Vereine entstehe. Trotz aller Kritik, so schloss Kravanja, akzeptiere die Bürgerliste die handwerkliche Qualität der Haushaltssatzung, die auch keine großen überflüssigen Ausgaben enthalte. Deshalb stimme man dem Nachtrag 2014 und dem Etat 2015 zu.
Zustimmung gabe es auch von Linken, für die Michael Thielemann die von Manfred Mingers verfasste Rede vortrug. Dabei kritisierten die Linken bei den Kindegärten die finanzielle Benachteiligung von Familien mit mehreren Kindern und die ratsentscheidung zum Erhalt der Realschule. Das widerspreche nicht nur dem Elternwillen, sondern sei auch eine bildungspolitische Fehlentscheidung, die in einer Wahlperiode eine Million Euro koste. Dennoch müsse man anerkennen, dass in Geilenkirchen im öffentlichen Dienst nicht wie anderswo befristete Arbeitsverhälnisse geschaffen wurden, und das Kämmerer mit der Behandlung der Versicherungssumme für das Hallenbad eine Glanzleistung vollbracht habe („Dies ist mehr als gutes Handwerk“). Die neue Handlungsfähigkeit bedeute auch ein Mehr an Demokratie, auch deshalb stimme man dem Haushalt zu.
Da nach vier ausführlichen Reden das meiste gesagt war und die Aufmerksamkeit nachließ, hatte es FDP-Mann Nils Kasper als letzter Redner besonders schwer. Er verwies auf die schlechte Behandlung der Kommunen durch Bund und Land, die man besonders bei U3-Kindergartenplätzen, Inklusion, Asylbewerbern und Sozialleistungen zu spüren bekomme. Wie seine Vorredner lobte er den Umgang mit der Versicherungssumme für das Hallenbad und freute sich darüber, dass bei diesem Thema Parteipolitik keine Rolle spielte. Auch für ihn ist es besonders wichtig, dass die Stadt ohne Haushaltsicherung mehr Freiheiten hat. Zwar könne man keine großen Sprünge machen, doch könnten oft auch kleine Summen etwas bewirken, sagte Kasper. Er verwies auf die Bedeutung von Vereins- und Wirtschaftsförderung und stimmte dem Haushalt zu.
Als kompliziert und zeitraubend erwies sich nach dem Reden-Marathon die Abstimmung: Ja zum Haushalt, aber Ausklammerung des Stellenplanes. Am Ende einer längeren Suche nach einer entsprechenden Rechtsgrundlage stand der Beschlussvorschlag, Nachtrag und Haushalt zuzustimmen mit der Einschränkung „Die Anlage Stellenplan wird auf dem Stand von 2014 belassen, beschlossene Einstellungen für Januar und Februar (im Februar wird neu über den Stellenplan beraten) können aber zugelassen werden“. Dieser Bechlussvorschlag wurde bei zwei Neinstimmen und einer Enthaltung angenommen. (mh)